In welchen Bereichen fehlt es im Kanton Bern an Ärztinnen und Ärzten?
Laut der Versorgungsumfrage 2023, an welcher fast 800 im Kanton Bern praktizierende Ärztinnen und Ärzte teilgenommen haben, sind besonders fünf Bereiche im Kanton Bern unterversorgt:
- Kinder- und Jugendpsychiatrie
- Psychiatrie / Psychotherapie
- Hausarztmedizin
- Kinder- und Jugendmedizin
- Dermatologie
Am schwierigsten ist die Lage demnach bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Hier erleben 86 Prozent der Befragten eine Unterversorgung.
Was hat das für Konsequenzen für Patientinnen und Patienten?
Die Folge der Unterversorgung seien längere Wartezeiten für Patientinnen und Patienten, bis sie einen Termin erhalten, sagt Esther Hilfiker, Co-Präsidentin der Ärztegesellschaft des Kantons Bern. Gerade bei der Jugendpsychiatrie sei das ein grobes Problem. Je nach Praxis gebe es Aufnahmestopps, sprich die Ärztinnen und Ärzte nehmen gar keine Patientinnen und Patienten mehr bei sich auf. Eingriffe verzögern sich dadurch und Patientinnen und Patienten müssen weitere Wege in Kauf nehmen. Auch beispielsweise in der Dermatologie handelt es sich zudem um einen schweizweiten Mangel, sprich Ausweichen in andere Kantone, um einen Termin zu erhalten, sei keine Option.
Auf die Frage, ob die Unterversorgung dazu führe, dass Krankheiten zu spät erkannt werden und deshalb zum Tod einer Person führe, verneint Hilfiker. Die Notfalldienstversorgung sei gewährleistet.
Weshalb fehlt es an Ärztinnen und Ärzten?
Wie Esther Hilfiker, Co-Präsidentin der Ärztegesellschaft des Kantons Bern erklärt, liege die Ursache des Mangels an Ärztinnen und Ärzte bereits in den 90er-Jahren. Damals wurde die Zahl der Ausbildungsplätze für die medizinischen Berufe durch die Einführung einer Aufnahmeprüfung (Numerus clausus) bewusst reduziert. «Aus meiner Sicht war das eine Fehlentscheidung», so Hilfiker. Zwar habe man das teilweise wieder korrigiert und die Zahl der Ausbildungsplätze ausgebaut. Das wirke sich aber erst später, mit einer Latenz von 12 bis 15 Jahren, auf die Versorgung aus.
In den spezifischen Bereichen spielen die Attraktivität, aber auch etwa die Entlöhnung der Ärztinnen und Ärzte eine Rolle. Beispielsweise in der Jugendpsychiatrie seien die Tarife im Vergleich zu anderen Fachrichtungen zu niedrig oder anders gesagt, in diesem Bereich sind die Löhne zu tief.
Welche Massnahmen braucht es?
Eine Sofortmassnahme wäre laut Esther Hilfiker der Abbau der administrativen Belastung, damit sich Ärztinnen und Ärzte wieder mehr um Patientinnen und Patienten kümmern können. Mittelfristig sei der neue Ärztetarif ein wichtiges Werkzeug, um die Situation zu verbessern.
Langfristig werden sich die zusätzlichen Ausbildungsplätze ausbezahlen, die beispielsweise die Universität Bern seit einigen Jahren anbietet. Neben den neuen Tarifen sei es wichtig, dass der Beruf ebenfalls attraktiver gestaltet werde, denn rund ein Drittel der Studentinnen und Studenten kann sich nach dem Abschluss des Studiums nicht vorstellen, in einem medizinischen Bereich zu arbeiten. Stichworte seien weniger Vorgaben bezüglich der Regulation, aber auch die Möglichkeit für flexiblere Arbeitsmodelle.
In welchen Bereichen hat es genügend Ärztinnen und Ärzte?
Eine gute Versorgung bestehe laut der Umfrage im Kanton Bern in folgenden fünf Fachbereichen:
- Orthopädische Chirurgie
- Kardiologie
- Radiologie
- Angiologie
- Allgemeine Chirurgie