Mittelland
Oberaargau

Langenthal: Müller strebt dritte Amtszeit als Stadtpräsident an

«Wir sehen das entspannt»

Langenthals Stadtpräsident möchte zum dritten Mal gewählt werden

· Online seit 17.10.2024, 06:30 Uhr
Langenthals Stadtpräsident Reto Müller (SP) stellt sich zur Wiederwahl. Sein Gegenkandidat gilt als krasser Aussenseiter und wird von keiner Partei unterstützt. Wie sicher ist sich der Amtsinhaber und was würde er rückblickend anders machen? Wir haben eine gute Woche vor der Wahl mit ihm gesprochen.
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Reto Müller ist am Telefon gewohnt locker und entspannt. Das kann er auch sein. Die Zeichen stehen auf Wiederwahl. Sein Gegenkandidat, der selbstständige Maler Marco Burkhalter (parteilos) aus Obersteckholz, rechnet sich nicht wirklich Chancen aus.

Das erklärte Ziel von Reto Müller ist es denn auch, einen zweiten Wahlgang zu verhindern und den Durchmarsch bereits im ersten Wahlgang zu schaffen. Dass die beiden grossen bürgerlichen Parteien in Langenthal, die SVP und die FDP, keine Kandidaten gefunden haben, die gegen Müller antreten wollen, sagt eigentlich schon alles. Die Frage wird also eher sein, wie viele Bürgerinnen und Bürger aus Frust oder Protest seinen Gegner Marco Burkhalter wählen, ganz nach dem Motto: Hauptsache ein anderer.

Wie gross ist die Unzufriedenheit über Müller?

Vom viel beschworenen Frust in der Langenthaler Bevölkerung merke er selbst wenig, sagt Müller. «Die Leute kommen nicht zu mir und sagen: ‹Reto, das war jetzt ein Mist.› Wenn, dann gibt es eher Kommentare auf Social Media.» Er probiere da aber jeweils cool zu bleiben und zu reflektieren, was an der Kritik stimme und was nicht. Die Menschen zu enttäuschen, liege auch bis zu einem gewissen Punkt in der Natur des Amtes als Stadtpräsident, weil die Leute so viele Erwartungen in den Stadtpräsidenten hineinprojizieren würden, so Müller.

Stadion und Kindergärten als grösste Fails

In Müllers letzter Amtszeit machten er und die Stadt vor allem bei zwei Projekten eine schlechte Falle. Das gross angekündigte Stadion Hard musste begraben werden und die Zentralisierung der Kindergärten wurde vom Volk abgeschmettert. «Bei den Kindergärten haben wir neben dem Volk vorbei politisiert. Da hätten wir vieles besser machen können», so Müller. Beim Stadion übt er vor allem in einem Punkt Selbstkritik: Bei der Projektentwicklung sei die Stadt zu langsam gewesen. Den zweiten schwarzen Peter schiebt er aber der Pandemie zu. Bei den Firmen habe nach Corona schlicht das Geld gefehlt, zusammen mit der Stadt in das Stadionprojekt zu investieren. Die Steuerzahlenden hätten das Ding alleine stemmen müssen. «Das war dann der Killer für das Stadion Hard.»

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Lieber Steuern erhöhen als sparen

Wer Müller wählt, wählt eher eine Steuererhöhung als ein Sparprogramm. «Beim Sparen ist für mich persönlich eine Grenze erreicht. Das sage ich ganz offen. Wir müssen unsere Investitionen finanzieren können, gerade auch im Wohnungsbau». Müller möchte lieber auf der Einnahmeseite etwas ändern – sprich Steuern erhöhen. «Wir haben bei den Städten nach wie vor den mit Abstand tiefsten Steuerfuss im Kanton Bern». Die Diskussionen über den Steuerfuss seien bereits im jetzigen Gemeinderat sehr heiss. Aktuell ist die Strategie, den Steuerfuss möglichst beizubehalten und die nötigen Investitionen der Stadt über die Jahre zu verteilen, anstatt sie zügig anzugehen. Das könnte sich aber schon bald ändern. Vier von sieben aktuellen Gemeinderäten dürfen aufgrund von Amtszeitbeschränkungen nicht mehr antreten. Aktuell haben die Bürgerlichen, also die SVP und die FDP, mit je zwei Sitzen die Mehrheit in der Stadtregierung. Die SP ist ebenfalls mit zwei Sitzen vertreten, die Grünen mit einem.

Wie viel Macht hat ein Stadtpräsident in Langenthal überhaupt? Das werde von vielen überschätzt. «Manchmal kommen Unternehmer zu mir und sagen: ‹Reto, jetzt musst du entscheiden›», so Müller. Alleine entscheiden könne er aber nur bei Beträgen bis zu 5000 Franken, bei Beträgen bis zu 150'000 Franken müsse er den Gemeinderat fragen, ab 150'000 Franken dann zusätzlich den Stadtrat und ab 2 Millionen Franken das Langenthaler Stimmvolk. «Das Stadtpräsidium kann vorbereiten, begleiten, motivieren und probieren. Da glaube ich auch, dass man einen grossen Einfluss hat. Aber entscheiden tun dann immer auch noch andere. Und das ist auch gut so.»

Alles Müller, oder was?

Sollte Reto Müller nicht gewählt werden, wäre das nicht nur eine kleine, sondern eine riesige Sensation. Dass ein parteiloser Kandidat aus Obersteckholz mit Freunden aus dem Umfeld der ehemaligen Partei National Orientierter Schweizer (PNOS)  gegen Müller ein besseres Resultat erzielt als 2016 Stefan Costa (heute Oberaargauer Regierungsstatthalter), der damals von allen bürgerlichen Parteien unterstützt wurde, scheint unvorstellbar. Für Reto Müller und die SP ist die Kandidatur von Marco Burkhalter eher ein Glücksfall. «Es mobilisiert und meine Partei kann mich so für den Wahlkampf brauchen. Wir sehen das sportlich und eigentlich auch relativ entspannt.»

veröffentlicht: 17. Oktober 2024 06:30
aktualisiert: 17. Oktober 2024 06:30
Quelle: 32Today

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