Mittelland
Oberaargau

Schwarze Brühe in der Aare: Was passiert in Aarwangen?

Ursache geklärt

«Richtig schwarz»: Woher kommt das stinkende Wasser in Aarwangen?

· Online seit 30.08.2024, 17:38 Uhr
Mitten in der Aare kommt sie daher, die schwarze Brühe bei Aarwangen. Und stinken tut sie wie eine Kloake. Etwas weiter unten baden Kinder. Immer mehr Anwohner, Fischer und Badegäste fragen sich, was da los ist. Wir haben die Antwort.
Anzeige

Er wohnt in Aarwangen, hat ein Boot, geht gerne fischen und möchte anonym bleiben. Seit Anfang August dokumentiert er auf Facebook, was vor seiner Haustür passiert. Immer wieder ergiesst sich eine schwarze, stinkende Sauce aus einem Abwasserkanal in die Aare. Sie fällt nicht nur ihm auf, sondern auch den Fischern vor Ort.

Gemeinsam machen sie Bilder und Videos. Das erste stammt vom 6. August, dann folgen der 8. August, der 10. August, der 22., der 28. und der 30. August «Wir können die Aare nicht permanent überwachen, es könnten auch mehr Vorfälle sein», sagt er gegenüber 32Today. An folgendem Standort wurden die Bilder aufgenommen.

Wie die Redaktion inzwischen weiss, kommt das dreckige Wasser aus dem Abfluss-Kanal der Abwasserreinigungsanlage (ARA) der Papierfabrik Tela, die nicht nur das betriebseigene Abwasser reinigt, sondern auch das Abwasser der Gemeinde Niederbipp. Das Abwasser wird im Gebiet Schwanau bei Bannwil in die Aare geleitet.

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Bereits letztes Jahr beobachtet

Bereits letztes Jahr sei das Wasser teilweise stark verschmutzt in die Aare gelangt, erzählt unser Informant am Telefon. Er habe darauf die Tela kontaktiert. Die Antwort: Das sei ganz normal. Bei starken Regenfällen sei die Kanalisation überfordert und das Wasser könne nicht wie gewöhnlich aufbereitet werden.

Ausnahmen also. Doch diesen August ist es anders. Es hört und hört nicht auf. Als die schwarze Brühe am 22. August erneut die Aare herunterfliesst, wird die Kantonspolizei Bern alarmiert. Diese kam prompt und nahm Wasserproben, so unser Informant.

«Störfall» bei der Tela zwingt ARA in die Knie

Auf Nachfrage von 32Today gibt uns der Geschäftsführer der Tela Niederbipp, Roberto Todaro, Auskunft. Und siehe da: In der Tela gab es tatsächlich einen Störfall, der dazu geführt hat, dass die Abwasserreinigungsanlage überfordert war und ihrer Aufgabe eine Zeitlang nur noch eingeschränkt nachkommen konnte.

Die Tela führt weiter an, dass der Schaden zwar seit dem 12. August behoben sei, weil aber ein grosser Teil des «Belebtschlamms» aus dem System entfernt wurde, sei die Reinigungsleistung reduziert. Erfahrungsgemäss dauere es jeweils mehrere Wochen, bis die ARA sich nach einem solchen Vorfall wieder komplett erholt habe, schreibt Todaro weiter.

Erfahrungsgemäss? Passiert das öfters? Die Nachfrage von 32Today bleibt bis Redaktionsschluss noch unbeantwortet, genauso wie die Frage, was es mit dem Störfall bei der Tela konkret auf sich hatte.

Tela: «Alle Werte sind in Ordnung»

«Wir bedauern diesen Vorfall sehr, können jedoch festhalten, dass es für Mensch und Natur zu jederzeit unbedenklich war. Das Abwasser wurde im Labor des Kantons untersucht und ergab, dass die Werte alle in Ordnung sind.» Man habe alle Behörden informiert und stehe in engem Austausch mit dem Amt für Abwasser, Wasser und Abfall (AWA) des Kantons Bern.

Gemeinde Aarwangen wurde nicht informiert

Zumindest eine betroffene Behörde wurde nicht informiert. Die Gemeinde Aarwangen nämlich, die die ganze Sauerei ausbaden darf. Heinz Burgener, der Geschäftsleiter der Einwohnergemeinde Aarwangen, staunt nicht schlecht, als er von 32Today über die Vorfälle informiert wird. Die Gemeinde hatte nämlich nach Meldungen von besorgten Bürgern selbst beim Kanton nachgefragt, bisher aber noch keine Antwort erhalten. «Wir gehen eigentlich davon aus, dass alles mit rechten Dingen zu und her geht. Aber wir wissen Stand heute (30.08.24) von offizieller Seite nicht, ob das Wasser wirklich gut ist oder nicht; wir haben noch keine Antwort erhalten».

Fadenbakterien und Papierfasern

Das AWA gibt dafür dieser Redaktion Auskunft und schreibt, dass die Meldung am «9. August um 15:25 Uhr» erfolgte. Seither stünden die Mitarbeiter des AWA täglich in Kontakt mit den Verantwortlichen der Tela AG. Was etwas stutzig macht: Die Proben für die Untersuchung wurden von der Tela selbst gemacht. Das AWA schreibt dazu Folgendes:

Fadenbakterien sind etwas, in dem man lieber nicht baden möchte; um das zu erkennen, genügt eine kurze Suche auf Google mit dem Stichwort «Gesundheit».

Das Wasser in der Aare bei Aarwangen scheint also ziemlich «grusig» zu sein, überschreitet aber laut den Berner Behörden keinen Grenzwert. Einen effektiven Beleg, der diese Aussagen stützt, hat die Today-Redaktion aber weder von der Tela noch vom AWA erhalten. Was mit der Probe ist, die die Polizei genommen hat, ist derzeit noch nicht bekannt.

Nicht zuletzt darf man sich fragen, warum die Bevölkerung nicht informiert wird, wenn die Aare wegen eines «Vorfalls» in einer Kläranlage plötzlich stinkend und schwarz daherkommt, gesetzliche Grenzwerte hin oder her.

veröffentlicht: 30. August 2024 17:38
aktualisiert: 30. August 2024 17:38
Quelle: 32Today

Anzeige
Anzeige
32today@chmedia.ch