Mittelland
Olten / Zofingen

Eizellen einfrieren in Olten: Was Social Freezing mit Freiheit zu tun hat

Social Freezing

Immer mehr Frauen frieren ihre Eizellen ein

· Online seit 12.09.2024, 06:29 Uhr
Die innere Uhr Tickt. Und wenn es um die Fruchtbarkeit geht, dann tickt sie bei Frauen deutlich schneller als bei Männern. Ab 35 sprechen Gynäkologen von einer «Risikoschwangerschaft», ab 40 nimmt die Qualität der Eizellen deutlich ab. Immer mehr Frauen frieren deshalb ihre Eizellen ein und holen sich so ein Stück Freiheit zurück.
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Spätestens ab ungefähr 32 Jahren wird beim Frauenarzt das Thema Fruchtbarkeit und Kinderwunsch angesprochen. Als Frau wird man sanft oder unsanft darauf hingewiesen, dass die eigene Fruchtbarkeit nicht unendlich ist. 35 Jahre sind die Messlatte, bei der Frau möglichst unten durch sollte.

Was, wenn aber wie so oft die langjährige Beziehung Anfang dreissig in die Brüche geht? Wenn die langersehnte Beförderung just in diesem Lebensabschnitt in Aussicht ist, verknüpft mit einem hohen Arbeitspensum? Solche Lebenskonstellationen kommen oft vor und verursachen unter Umständen einen regelrechten Fortpflanzungsstress. Immer öfter lassen Frauen deshalb ihre Eizellen einfrieren – auf neudeutsch «Social Freezing» genannt.

Anna Raggi, Ärztin für Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie, ist eines von vier Gründungsmitgliedern von Fertisuisse, einem Zentrum für Kinderwunschbehandlung in Olten und Gynäkologin und Geburtshelferin im Kantonsspital Olten. Ein Interview.

Frau Raggi, was für Frauen wenden sich am häufigsten an Sie?

Meist sind es Frauen, bei denen gerade eine langjährige Beziehung mit Kinderwunsch in die Brüche gegangen ist, oder Frauen, die den richtigen Partner für gemeinsame Kinder noch nicht gefunden haben. Sie merken, dass die Uhr Tickt und wollen sich Chance offen lassen. Der kleinere Teil sind Frauen, die aus Karrieregründen die Familienplanung verschieben möchten oder sich ob des Kinderwunschs noch unsicher sind.

Wie viele der Frauen, die ihre Eizellen einfrieren, machen später auch davon gebrauch?

Das sind durchschnittlich zwischen 10 und 15 Prozent. Die allermeisten Paare werden ohne Hilfe schwanger. Das Einfrieren von Eizellen ist wie ein Geschenk, das Sie sich machen, aber vielleicht nie brauchen. Wie ein schönes Kleid, das Sie im Schrank haben und nie anziehen. Aber wenn Sie es nicht gekauft hätten, dann hätten Sie es unter Umständen ein Leben lang bereut. Die Frauen machen das für sich. Und es gibt ihnen gerade in schwierigen Lebensphasen eine gewisse Freiheit.

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Was hat Social Freezing mit Emanzipation zu tun?

Bis vor kurzem lebten wir in einer Welt, die von Männern bestimmt wurde – und wir Frauen haben mitgemacht. Männer haben ihr Auto, ihr Haus und alles versichert. Und sie haben eine Spermienproduktion bis ins hohe Alter. Und jetzt haben die Frauen die Möglichkeit, ihr biologisches Material zumindest ein wenig zu versichern. Klar, es kostet etwas und sie werden es vielleicht nie brauchen. Aber das ist bei einer Autoversicherung dasselbe: Jahrelang zahlen sie, haben aber nie einen Unfall.

Was kostet das Einfrieren?

Das kommt darauf an, welche Medikamente man braucht und wie viele Eizellen man einfrieren möchte. Aber grundsätzlich kostet es bei uns rund 5000 Franken für einen Zyklus. Bei manchen Frauen können in einem Zyklus 20 Eizellen zum Einfrieren gewonnen werden, bei anderen zehn und wieder bei anderen sind es nur fünf. Wenn man als Ziel zum Beispiel 30 Eizellen einfrieren möchte, kommen so unterschiedlich viele Zyklen zusammen und dementsprechende unterschiedlich hohe kosten.

Kann ich meine Eizellen jederzeit auftauen und befruchten lassen?

In der Schweiz darf eine künstliche Befruchtung per Gesetzt nur durchgeführt werden, wenn eine Unfruchtbarkeit vorliegt. Dass heisst ungeschützter Geschlechtsverkehr während einem Jahr ohne Schwangerschaft. Bei Frauen ab 35 machen wir jedoch bereits nach einem halben Jahr Abklärungen und leiten mögliche Therapien ein. Hinzu kommt, dass Eizellen nur maximal 10 Jahre eingefroren werden können. Ein gesetzliches Höchstalter für künstliche Befruchtungen gibt es  in der Schweiz jedoch nicht, bei uns in Olten ist die letzte Möglichkeit mit 47 Jahren, da die Risiken bei einer Schwangerschaft ab 45 nochmals ansteigen. Voraussetzung ist, dass die Eizellen bereits eingefroren sind und die Frau gesund ist.

Video: Erste Firmen übernehmen in der Schweiz die Kosten für das Einfrieren von Eizellen

Quelle: Keystone-SDA

veröffentlicht: 12. September 2024 06:29
aktualisiert: 12. September 2024 06:29
Quelle: 32Today

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