Mittelland

«Sogar die Polizei brachte uns schon Schildkröten vorbei»

Seetal

«Sogar die Polizei brachte uns schon Schildkröten vorbei»

· Online seit 09.07.2023, 11:33 Uhr
Sie heissen «Omelette», «Toblerone» und «Sepp». Und sie sind nur drei von über 100 gepanzerten Bewohnern von Ruth Hubers Garten. Seit vielen Jahren betreibt sie im Seetal eine Schildkrötenauffangstation – und hat in dieser Zeit Aussergewöhnliches erlebt.

Quelle: ArgoviaToday / Ursina Mühlethaler / Severin Mayer

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Ruth Huber schaut verdutzt zwischen zwei Schildkröten hin und her. «Dis Gsicht kenni jo gar ned», sagt sie mit gerunzelter Stirn und erklärt: «In diesem Teil vom Garten habe ich eigentlich meine eigenen Schildkröten. Und bei denen ist nur ein Bock dabei. Woher der hier kommt – keine Ahnung.» Auch ihr Mann Geri kann sich den Neuzugang nicht erklären.

Im Papiersack an die Türklinke gehängt

Es bleibt nur eine logische Erklärung: Die Schildkröte wurde von jemandem im Garten der Hubers in Hallwil deponiert. Nicht gerade die feine englische Art, einen gepanzerten Vierbeiner der Auffangstation zu übergeben und auch nicht gerade gut für die anderen Tiere – denn durch so eine Aktion können auch Krankheiten übertragen werden. Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass eine Schildkröte ungefragt deponiert wird. «Jemand hat mir mal zwei Schildkröten in einem Papiersack an die Haustür gehängt», erzählt Ruth Huber. «Und einmal fand ich eine grosse Schildkröte in einer Kartonschachtel vor meiner Haustüre, die schon fast ausbrechen konnte, weil es so geregnet hat, und der Karton dadurch aufgeweicht wurde.»

In allen den Jahren, in denen sie sich nun schon um ausgesetzte Schildkröten aus der Region kümmert, hat sie so einiges erlebt. Abgelehnt hat sie selten einen Fall. Aber: «Für Leute, die sich eine Schildkröte gekauft haben und die dann nach zwei Jahren wieder loswerden wollen, weil sie dem Tier überdrüssig sind, habe ich kein Verständnis.» Und auch für Besitzerinnen und Besitzern, die ihr Tier, das bei der Auffangstation abgegeben wurde, wieder abholen wollen, hat Ruth Huber klare Regeln. «Erstens müssen sie mir sagen oder zeigen können, wie ihre Schildkröte aussieht. Und zweitens will ich wissen, in welche Umgebung sie kommt. Bevor keine artgerechte Haltung gewährleistet ist, bekommt niemand seine Schildkröte einfach so wieder zurück.»

Schildkröte: Das unterschätzte Haustier

In den letzten Jahren hat Ruth Huber unzählige Anrufe erhalten, die sich um ausgesetzte oder vermisste Schildkröten drehten. Nicht selten werden diese auch in der Nähe der Autobahn gefunden – ausgesetzt von Menschen, die «sorglos» in die Ferien wollen. Während der Coronapandemie nahmen solche Fälle stark zu – so stark, dass Ruth Huber eine Zeit lang keinen Platz mehr für neue Findlinge hatte. «Es dumms Gfüehl em Tier gägenüber», wie sie sagt. Diese Zeiten seien glücklicherweise vorbei.

Mittlerweile herrsche wieder ein gutes Gleichgewicht zwischen Zu- und Abgängen, so Huber. Die Eier, die die Schildkröten legen – je nach Art mehrmals pro Jahr, zwischen drei und acht Exemplare – brütet Ruth Huber schon länger nicht mehr aus. Wenn Hubers einmal in die Ferien wollen, sorgt die Tochter der beiden für das Wohl der Tiere. Mindestens drei Harassen Gras braucht die Schildkrötensippe von Hallwil im Sommer pro Tag. Dies wird mit der Sense gemäht. Im Winter kehrt dann etwas mehr Ruhe ein: Dann gehen alle – ausser die Riesenschildkröten – in den Winterschlaf.

Ein Fall für die Polizei

In Hubers Garten leben neben den bekannten griechischen und maurischen Landschildkröten auch Breitrandschildkröten, Dosenschildkröten, Riesenschildkröten, Strahlenschildkröten und diverse Wasserarten wie beispielsweise Tropfenschildkröten oder Rotwangenschildkröten. Wie viele es genau sind, das wissen nur die Akten. Die Zu- und Abgänge dokumentiert Ruth Huber akribisch mit einem Formular. Darauf wird unter anderem das Datum, der Fundort und der Zustand der Schildkröte festgehalten.

Einmal wurde Frau Huber sogar von der Polizei um Hilfe gebeten: Diese hatte eine in einem Wehr gefundene Schnappschildkröte in Obhut. Ein Tier, das bei falschem Umgang ziemlich gefährlich werden kann. «Die Polizisten haben mir die Schildkröte in einer Box mit einer Wolldecke darüber gebracht. Das war ein ‹Möbel›, das können sie sich gar nicht vorstellen!» Der bissige Koloss wurde schliesslich zuerst einmal in den Keller verfrachtet. Dort liess er sich allerdings nicht von den Sicherheitsvorkehrungen beirren, bahnte sich seinen Weg aus dem provisorischen Gefängnis und stolzierte am Morgen danach frisch fröhlich durch den Keller, als würde er ihm gehören.

Im Schildkrötengarten von Hubers gibt es aber auch ruhigere Tage. Hin und wieder bleibt auch Zeit für Ferien. Diese verbringt das Paar sehr gerne in Schildkröten-Naturbiotopen.

veröffentlicht: 9. Juli 2023 11:33
aktualisiert: 9. Juli 2023 11:33
Quelle: ArgoviaToday

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