Mittelland
Solothurn / Grenchen

Solothurner Postplatz: Besser als gedacht?

Totgesagte leben länger

Ein Hoch auf den Solothurner Postplatz

· Online seit 25.07.2024, 04:30 Uhr
Er ist wohl der meist kritisierte Platz im ganzen Kanton. Der neu gestaltete Postplatz an der Aare in Solothurn, auch «Betonwüste» genannt. Trotz aller (auch berechtigter) Kritik: Der Postplatz scheint zu funktionieren. Stimmt das Wetter, füllt sich der Platz mit Leben und Leuten – ohne Konsumzwang.
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Spricht man Solothurnerinnen und Solothurner auf den Postplatz an, winken die allermeisten gleich ab. Von einer verpassten Chance ist die Rede, von einer leblosen Asphaltwüste. Und ja, die Kritik ist berechtigt. Wäre die Aare mit ihrem frischen Lüftchen nicht gleich nebenan, dürften sich im Sommer keine Betagten auf dem Platz aufhalten, die Gluthitze der dunklen Teerfläche wäre eine akute Bedrohung für ihren Kreislauf.

Bus anstatt Liegewiese

Die Kinder kann man auf dem Platz auch nicht ohne Bedenken spielen lassen, denn der Bus musste ja «ums Verrecke» über den Platz fahren können und schneidet so den Zugang zur Aare ab. Dort, wo sich die Solothurnerinnen und Solothurner eine Liegewiese, Blumenrabatten und schattenspendende Bäume gewünscht hätten, ist jetzt was? Noch mehr Asphalt. So viel zu dem, was wir längst wissen.

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Zartes Pflänzchen

Erfreulicherweise lassen sich die Passanten davon nicht abschrecken. Passt das Wetter, füllt sich der Platz mit den farbigen runden Tischchen nach und nach. In letzter Zeit kam es sogar öfters vor, dass die Stühle alle besetzt waren. Am einen Tisch wird die Glace der nahe gelegenen Vitaminstation geschleckt, am anderen liest jemand ein Buch und daneben blickt jemand, der auf den Bus wartet, seelenruhig hinaus auf die Aare.

Noch ist der Postplatz ein zartes Pflänzchen. Genau so wie die 15 Bäumchen, die darauf stehen. Noch können sie der Sommersonne nicht trotzen. Ist die Glace gegessen, gehts schnell weiter in Richtung Parkhaus. Nach dem zweiten Kapitel im Buch steht einem der Schweiss auf der Stirn – und man verlagert die Lektüre in die nahe gelegene «Hafebar» oder ans «Aaremürli».

Ort ohne Konsumzwang

Und doch ist da etwas. Der Postplatz ist einfach da. Er macht keine Versprechungen. Es ist genug schön, dass man sich für eine Viertelstunde hinsetzt und genug hässlich, dass man nicht mit einem Sixpack Dosenbier den ganzen Tag dort verbringt. Und er ist vor allem eines: gratis.

In den USA-Ferien habe ich gelernt, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, sich an gut gelegenen Orten einfach so aufhalten zu dürfen. Schöne Flecken sind dort in der Regel in Privatbesitz (Beware of the Dog!) oder kommerziell genutzt (Anything else?). Sobald du nicht mehr konsumierst, fliegst du raus.

Von diesem Standpunkt aus gesehen ist der Postplatz ein Hit. Und er schlägt die beiden anderen Betonwüsten der Stadt, den Dornacherplatz und den Amthausplatz, um Längen.

veröffentlicht: 25. Juli 2024 04:30
aktualisiert: 25. Juli 2024 04:30
Quelle: 32Today

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