Schweiz

Der Gotthard-Tunnel von 1950 bis heute: Ein Bauwerk prägt die Schweiz

Bau, Unfälle und mehr

Geschichte des Gotthard-Strassentunnels von 1950 bis heute

· Online seit 29.04.2024, 15:27 Uhr
Seit mehr als 40 Jahren ist der Gotthard-Strassentunnel in Betrieb. Die wichtige Nord-Süd-Achse war immer wieder Segen und Fluch zugleich für die moderne Schweiz. Wir blicken zurück und in die Zukunft – auf die Geschichte eines Jahrhundertbauwerks.
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1950 – Alpenquerung vor dem Tunnel

Bevor es den Strassentunnel gibt, gilt es für Reisende mit dem Auto die Alpen über den Gotthardpass zu queren. Dies ist jedoch nur im Sommer möglich. Im Winter muss man den Wagen in Göschenen oder in Airolo auf den Zug verladen, wenn auf dem Gotthardpass der Schnee meterhoch eine Durchfahrt verunmöglicht.

1960 – Die Pläne

Das Parlament ist sich 1960 einig: Es braucht eine dauerhaft wintersichere Verbindung ins Tessin. Die ersten Pläne gehen noch von zwei Tunnels aus. Ein langer zwischen Urserental und Airolo, ein zweiter hätte die Schöllenenschlucht umfahren. Eine Motion verhindert diese Pläne jedoch. 1965 beschliessen National- und Ständerat den Bau einer Röhre plus eines Sicherheitsstollens.

1970 – Der Bau des Gotthard-Strassentunnels

Auf beiden Seiten des Massivs fahren die Bagger auf. Rund 85 Prozent der über 700 Arbeiter am Gotthard-Strassentunnel sind Ausländer, die meisten von ihnen Italiener. Die Schichten im Stollen dauern zwölf Stunden. Insgesamt 19 Tote sind zu beklagen. Wegen schlechten Gesteins und Wassereinbrüchen verzögert sich das Projekt um Jahre. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 686 Millionen Franken – 380 Millionen mehr als budgetiert.

1980 – Die Eröffnung des längsten Strassentunnels der Welt

Im September 1980 eröffnet Bundesrat Hans Hürlimann das Jahrhundertbauwerk feierlich. Mit 16’918 Meter der damals längste Strassentunnel der Welt. 1200 geladene Gäste sind vor Ort und zelebrieren die Einweihung gleich dreifach: in Göschenen, Airolo und der Tunnelmitte geht «das besondere staatspolitische Ereignis» über die Bühne, wie es Bundesrat Hürlimann nennt.

1994 – Die Alpeninitiative

Wegen des Gotthard-Strassentunnels verlagert sich der Güterverkehr von der Schiene zunehmend auf die Strasse. Die Lastwagen belasten die Kantone Uri und Tessin mit Luftverschmutzung, Lärm und Verkehrsstaus. Umweltverbände lancieren deshalb 1989 die Alpeninitiative, um die Entwicklung rückgängig zu machen. Gleichzeitig wird der Ausbau von Strassen für den Transitverkehr untersagt.

2001 – Schwerster Unfall im Gotthard-Tunnel

Unfälle passieren vor 2000 jedes Jahr einige Dutzend, wobei bis zu 30 Menschen umkommen. Der schwerste Unfall ereignet sich am 24. Oktober 2001, als es durch den Zusammenstoss zweier Lastwagen zu einer Brandkatastrophe kommt. Elf Menschen sterben. Schuld war ein betrunkener Lastwagenfahrer. Der Tunnel ist zwei Monate lang für die Sanierungsarbeiten geschlossen, und kurzzeitig wird wieder eine Bahnverladung für Personenwagen in Betrieb genommen.

2001 – 3 Tonnen Sprengstoff

Um den Tunnel im Verteidigungsfall zu zerstören, platziert die Schweizer Armee nahe des Südportals drei Tonnen Sprengstoff. Die strategische Sprengladung liegt während Jahren zwölf Meter tief im Fels. Nach dem schweren Unglück, das nur 100 Meter von der Sprengladung entfernt passiert, entfernt man aber den Sprengstoff schliesslich.

2008 – Erster Sanierungsanlauf

Anfang August 2008 verkündet das Bundesamt für Strassen (Astra), dass der Tunnel im Zeitraum 2020 bis 2025 saniert werden muss. Dafür müsste er entweder für 900 Tage am Stück geschlossen werden oder während dreieinhalb Jahren für jeweils 280 Tage. Lösungen wären auch ein Autoverlad und die Rollende Landstrasse, wobei von Vorteil ist, dass im Jahr 2016 der Gotthard-Basistunnel der Bahn eröffnet wird.

2012 – Zweiter Sanierungsanlauf

Anstatt Teilsperrungen, Umleitungen oder Autoverlad empfiehlt der Bundesrat am 27. Juni 2012, dass eine zweite Röhre des Gotthard-Strassentunnels gebaut wird. Dies ermöglicht, die erste Röhre für die mehrere Jahre dauernde Sanierung komplett zu schliessen und gilt als die beste Lösung. Die Bauzeit wird mit 2020 bis 2027 angegeben, die Kosten liegen bei 2,8 Milliarden Schweizer Franken, eine Milliarde Franken mehr als bei einer reinen Sanierung.

2016 – Volksabstimmung

Am 26. September 2014 verabschieden Ständerat und Nationalrat ein Gesetz, das den Bau einer zweiten Tunnelröhre ermöglicht. Dagegen wird das Referendum ergriffen. So kommt es 2016 zur Volksabstimmung. Die Stimmbevölkerung nimmt die Gesetzesänderung und damit den Bau einer zweiten Röhre am 28. Februar 2016 mit einem Ja-Stimmen-Anteil von rund 57 Prozent an.

2021 – Beginn Vorarbeiten zweite Röhre

Die Vorarbeiten für die zweite Röhre beginnen 2020, die Bauarbeiten werden 2021 in Angriff genommen; das Astra rechnet mit einer Bauzeit von sieben Jahren. Danach wird der Verkehr durch die neue Röhre geführt, die alte Röhre für etwa drei Jahre saniert. Die beiden Röhren sollen im Einspurbetrieb eröffnet werden. Der symbolische erste Spatenstich erfolgt aufgrund der Covid-19-Pandemie erst am 29. September 2021.

2023 – Der Ausblick

Erste Tunnelarbeiten laufen seit Mitte 2023, der Durchschlag ist für 2026 geplant. Ende 2029 soll die neue Röhre eröffnet werden. Danach wird die erste Röhre für eine Sanierung ungefähr drei Jahre geschlossen. Ab 2032 werden beide Röhren mit jeweils einer Fahrbahn zur Verfügung stehen. Die reale Kapazität wird durch die nicht mehr nötigen Sperrungen zum Ändern der Fahrtrichtung, nach Unfällen, Pannen und auch für Wartungsarbeiten erheblich erhöht.

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veröffentlicht: 29. April 2024 15:27
aktualisiert: 29. April 2024 15:27
Quelle: Today-Zentralredaktion

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