Das Leben in der Schweiz ist teurer geworden. Unter anderem die steigenden Lebensmittelpreise spüren viele Menschen im Portemonnaie. Landet der Kassenzettel nach dem Einkauf gleich im Papierkorb, besteht das Risiko, dass ein noch grösseres Loch im Portemonnaie entsteht.
Ruedi Stricker verlässt keinen Supermarkt, ohne den Kassenbon genau zu studieren. «Seit vielen Jahren entdecke ich auf den Kassenzetteln immer wieder, dass ich für meine Einkäufe zu viel bezahlt habe», sagt der Unternehmensberater, der im Bereich Verkauf und Marketing arbeitet. Meist seien Rabatte von Artikeln an der Kasse nicht gescannt worden.
Zum Beispiel habe er einmal bei Coop eine Flasche Wein mit Rabatt von 33 Prozent gekauft, sagt Stricker. «Auf der Quittung sah ich dann, dass mir der Normalpreis von 22 Franken statt 14 Franken verrechnet wurde.»
Er habe dank Bon-Checks viel Geld gespart
Auch Fehler beim Scannen machen Einkäufe teurer, als sie sind. «Artikel wurden auch schon mehrfach verrechnet, weil die Kassierin oder der Kassier sie aus Versehen doppelt oder sogar mehrfach durch den Scanner gezogen hatte», sagt Stricker. Kürzlich habe er dies wieder festgestellt, als er bei Spar ein halbes Pfund Brot gekauft habe. «Auf dem Kassenzettel hatte ich den Preis eines ganzen Pfunds Brot.»
Der misstrauische Kunde zieht aus seiner langjährigen Kassenzettel-Kontrolle folgende Bilanz: «Rund 95 Prozent der kontrollierten Belege sind korrekt, der Rest ist falsch.» Dank der Kontrollen habe er viel Geld gespart. «Rechne ich meine Erfahrungen auf die Anzahl Kunden mit durchschnittlichem Konsum hoch, komme ich auf zig Millionen Franken Gewinn, die Grossverteiler wegen solcher Fehler einstecken.»
«Preis ganzjährig falsch berechnet»
Ruedi Stricker ist mit seinen Erfahrungen keine Ausnahme. «Wir erhalten immer wieder Meldungen von Konsumentinnen und Konsumenten, die sich mit diesen Erfahrungen decken», bestätigt Lucien Jucker, Jurist bei der Stiftung für Konsumentenschutz. Insbesondere bei Aktionspreisen komme es zu Abweichungen. «Wir haben aber auch schon einen Hinweis erhalten, wonach der Preis eines Artikels in einer spezifischen Filiale ganzjährig falsch verrechnet wird.»
Das Verzwickte daran ist laut Jucker, dass es in der Regel um kleine Beträge geht. «Diese fallen einem nur bei der systematischen Kontrolle der Quittungen auf.»
Keine Instrumente gegen Pannen
Wollen Kundinnen und Kunden zu hoch berechnete Einkäufe verhindern, kommen sie nicht darum herum, ihre Quittungen zu kontrollieren. Denn die Grossverteiler setzen keine bestimmten Instrumente ein, um die Patzer an der Kasse komplett ausschliessen zu können.
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Ihre Mitarbeitenden seien geschult und scannten die Produkte einzeln nacheinander, heisst es etwa bei Coop. «Die Berechnung des Aktionspreises eines Produkts erfolgt zudem automatisch. Die entsprechenden Aktionen sind in unserem Kassensystem eingepflegt.» Ähnlich klingt es bei der Migros: «Grundsätzlich geht die Migros davon aus, dass Einkäufe normalerweise korrekt getätigt, gescannt oder getippt und bezahlt werden.»
Spar verweist darauf, dass die Preise an den bedienten Kassen mit den Preisen der elektronischen Regaletiketten übereinstimmten. «Der Kunde hat somit die Gewähr, dass der angeschriebene Preis am Regal gescannt wird.»
Verbesserungspotenzial bei Rückerstattung
Wie hoch die Mehreinnahmen durch solche Pannen an der Kasse ausfallen, bleibt unklar. «Wir haben den Anspruch, Fehler beim Scanning Vorgang möglichst gering zu halten und berechnen hier in unserer Kalkulation keinen Puffer ein. Weder nach oben noch nach unten», sagt Silvia Manser, Mediensprecherin bei Spar. Coop gibt an, dazu keine detaillierten Zahlen zu kommunizieren. Migros-Mediensprecher Patrick Stöpper sagt: «Wir führen keine Statistiken zu diesem Thema und die Denkweise des ‹einberechneten Gewinns› existiert in der Migros nicht.»
Bei Reklamationen zeigen sich die Supermärkte aber offen. «Sollte eine Kundin oder ein Kunde nach dem Einkauf mit Ungereimtheiten zu ihrem Nachteil an uns gelangen, reagieren wir in der Regel mit Kulanz», heisst es bei der Migros. Auch Coop gibt an, sich stets für eine korrekte Berechnung des Warenkorbs zu engagieren. «Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, statten wir den Kundinnen und Kunden den entsprechenden Betrag umgehend zurück.» Auch Spar verspricht, bei Scanningfehlern, Kunden den zu viel bezahlten Betrag «anstandslos zurückzubezahlen».
Ruedi Stricker erhielt die zu Unrecht berechneten Beträge jeweils zurück. «Das Geld einzusammeln, war teilweise aber eine richtige Schikane», sagt er. So sei er zuerst zum Kundendienst geschickt worden und habe dort ein Formular unterschreiben müssen. «Auch musste ich an der Kasse schon alles auspacken und nochmals scannen lassen, weil der Betrag auf der Quittung nicht stimmte.» Er wünsche sich ein weniger kompliziertes Vorgehen bei Rückerstattungen. Lucien Jucker der Stiftung für Konsumentenschutz stimmt zu: «Das Ziel müsste sein, dass das Rückabwickeln so einfach und schnell wie das vorherige Kaufen der Produkte funktioniert.»