Die Sonne geniessen kostet – und zwar einiges mehr als ein Badieintritt. Dermatologen empfehlen, zwei Milligramm Sonnenschutzmittel pro Quadratzentimeter Haut aufzutragen – rund vier gehäufte Esslöffel für den ganzen Körper. Für einen 1,80 Meter grossen Mann mit einer Tube von 200 Millilitern bedeutet das: Nach fünf Mal benutzen ist die Tube leer.
Wer den günstigen Produkten unter knapp zehn Franken nicht vertraut, hat so pro Saison schnell einmal über 100 Franken nur für Sonnencreme ausgegeben. So kosten eine Tube mit qualitativ guter Creme für den Körper plus ein Tübchen für das Gesicht je schnell einmal um die 20 Franken. Eine Familie mit zwei Teenagern könnte sich für diesen Preis manches Glacé kaufen. Wer eine noch halbvolle Tube vom letzten Jahr gefunden hat, spart zwar, schmiert seine Haut aber vergeblich ein – nach dem Öffnen ist ein Sonnenschutzmittel meist nur zwölf Monate haltbar.
Die Stiftung für Konsumentenschutz übt Kritik. «Sonnencreme ist ein Produkt, auf das man nicht verzichten kann», sagt André Bähler, Leiter Politik und Wirtschaft zu ZüriToday. Die Creme schütze vor Sonnenbrand und reduziere das Risiko für Hautkrebs. Mit den zunehmend heissen Sommern werde das Auftragen von Sonnenschutzmittel umso wichtiger. «Es wäre daher wünschenswert, wenn es Sonnencreme zu günstigeren Preisen gäbe.»
Tampons als Vorbild
Im Falle von Binden und Tampons müssen Konsumentinnen künftig weniger tief in die Tasche greifen. Ab 2025 gilt für die Hygieneartikel ein reduzierter Mehrwertsteuerersatz von 2,6 Prozent. Etwa SP-Nationalrätin Tamara Funiciello bezeichnete es als unverständlich, dass ein Produkt, das Frauen jeden Monat brauchten, wie eine Luxusuhr besteuert werde.
André Bähler sieht dies auch als Beispiel für Sonnenschutzmittel. «Die Voraussetzungen sind ähnlich, weshalb ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auch auf Sonnencremes ausgeweitet werden könnte.» Zudem bringe dies auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen. «Tiefere Gesundheitskosten wären auch im Interesse des Staates, gerade wenn man an die steigenden Prämien denkt.»
Teuer bedeute nicht unbedingt auch gut
Noch weiter ging ein Vorstoss im Zürcher Gemeinderat. Anna Graff von der SP und Dominik Waser von den Grünen forderten, dass in Schulen sowie in öffentlichen Aussenanlagen der Stadt Zürich insbesondere in den Monaten mit hohem durchschnittlichem UV-Index gratis Sonnencreme bereitgestellt wird. Im Juni erteilten die Mitte-Rechts-Parteien dem Vorstoss jedoch eine Abfuhr.
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Für Detailhändler geht die Rechnung bei Sonnenschutz zu Spottpreisen nicht auf. Der Konsumentenschutz blende aus, dass die Schweizer Detailhändler 50 Prozent höhere Kosten hätten als die ausländische Konkurrenz, sagt Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation. Davon gingen zwei Drittel an höhere Warenbeschaffungskosten. Mit ihrem kleinen Markt sei die Schweiz auf dem Einkaufsmarkt nicht attraktiv. «Die hohen Kosten machen es häufig unmöglich, die Preise für Marken-Sonnenschutzmittel konsistent zu senken. Aber es gibt immer wieder Aktionsangebote.»
Laut Jenni bedeutet teuer nicht unbedingt auch gut. In Warentests hätten auch günstige Sonnencremes immer wieder gut bis sehr gut abgeschnitten. «Selber verwende ich einen Sonnenschutz von einem Discounter und habe mir damit noch nie einen Sonnenbrand geholt.»
Tatsächlich zeigt der aktuellste Test der deutschen Stiftung Warentest, dass auch einige preisgünstige Eigenmarken aus der Drogerie oder dem Discounter beim Schutz vor UV-Strahlen gut abschneiden.
«Es gibt kein Menschenrecht für günstige Markenprodukte»
Preisaffinen Konsumentinnen und Konsumenten rät Jenni, zu Discounter-Produkten oder Spezialangeboten zu greifen und genügend Schatten zu suchen. «Überspitzt gesagt gibt es kein ‹Menschenrecht›, sich in einer Apotheke ein Markenprodukt zu einem günstigen Preis kaufen zu können.»
Eine generelle Pflicht zu Preisreduzierungen bei Sonnencremes lehne die Swiss Retail Federation als planwirtschaftliche Massnahme ab. Offensichtlich sei eine solche Massnahme auch nicht nötig, sagt Jenni. «Denn es gibt genügend gute Discounter-Produkte oder Aktionen fürs kleine Portemonnaie.»