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Eismeister Zaugg: Silber-Helden, Swiss Made – oben angekommen, um zu bleiben

Eismeister Zaugg

Silber-Helden, Swiss Made – oben angekommen, um zu bleiben

· Online seit 27.05.2024, 06:27 Uhr
Die dritte Final-Niederlage ist die bitterste. Bilder aus dem Bauch des Stadions, die noch vor 15 Jahren unmöglich, ja absurd gewesen wären.
Klaus Zaugg / watson
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Schweizer Spieler nach dem letzten WM-Spiel mit einer Silbermedaille um den Hals. Aber enttäuschte, ja leere Gesichter. Noch vor 15 Jahren schien eine WM-Medaille ein unerreichbarer, ferner Traum. Und nun ist dieser Traum nach 2013 und 2018 bereits zum dritten Mal wahr geworden – und niemand jubelt.

Darin sind sich alle einig: Dieses 0:2 gegen Tschechien ist bitterer als 2018 das 2:3 nach Penaltys und 2013 das 1:5 gegen Schweden. 2013 waren die Schweizer fast wie in Trance in den Final gestürmt. Auch die Final-Qualifikation von 2018 schien wie ein Wunder und tief in der Hockey-Seele hatte 2013 und 2018 kaum einer an den WM-Titel geglaubt.

In Prag ist es im Mai 2024 anders. Es ist das beste WM-Team der neueren Geschichte, das von Spiel zu Spiel besser wird und im Halbfinal gegen Kanada und im Final gegen Tschechien die Bestform erreicht. Die Schweizer haben 2024 in Prag zum ersten Mal an ihre Chance geglaubt. Und spielten so, dass der Traum hätte wahr werden können. Sie waren reif für den WM-Titel. Deshalb die Enttäuschung.

Enttäuschte Spieler

Die Leere in den Gesichtern. Roman Josi, in allen drei Finals in einer Schlüsselrolle und nun in Prag so gut wie noch nie, ist nach dem Spiel den Tränen nahe. Und er sagt, diese Niederlage schmerze ganz besonders.

Leonardo Genoni wird gefragt, ob es denn nicht auch einen Grund gebe, auf die Leistung stolz zu sein. Er ist ob der Frage fast ein wenig irritiert. Als passe Niederlage und Stolz irgendwie nicht zusammen.

Nationaltrainer Patrick Fischer hat nun dreimal den Final verloren. 2013 als Assistent von Sean Simpson, 2018 in Stockholm und 2024 in Prag als Cheftrainer. Einerseits ist er stolz auf seine Mannschaft, auf den Zusammenhalt, auf das, was bei diesem Turnier geleistet worden ist. Aber auch bei ihm sitzt die Enttäuschung tief.

Die Schweizer sind ganz oben angekommen. Sie lassen sich nach einer WM-Finalniederlage nicht trösten. Der WM-Final von 2024 mag ein Höhepunkt der Saison sein – aber das Silber von Prag ist nicht der Endpunkt einer Entwicklung.

Ein WM-Final mag Zufall sein. Ein Wunder. Einmalig. Nicht wiederholbar. Zwei Finals können mit viel Glück verbunden sein. Fügungen des Schicksals, glückliche Umstände. Drei Finals sind weder dem Zufall noch glücklichen Umständen geschuldet. Drei Finals sind zwar gemessen an unserem beschränkten Potenzial ein Wunder. Aber eines mit System und Struktur.

Wir sind zwar auch mit dem bisher besten WM-Team der Geschichte nicht Weltmeister geworden. Aber das Fundament unserer Hockey-Kultur ist inzwischen so stabil, dass wir mit ein bisschen Glück (ohne die Gunst der Hockeygötter wird niemand Weltmeister) in den nächsten Jahren wieder ein so gutes WM-Team zusammenstellen können.

Von B-WM zum dreifachen Finalist

Im Zeitraum von 30 Jahren ist aus einer zweitklassigen Nationalmannschaft – 1997 noch in der B-WM – ein dreifacher WM-Finalist geworden und die besten Schweizer haben die NHL erobert. Wir sind nicht mit kanadischen oder schwedischen Lehren, wir sind mit eidgenössischer Taktik und Philosophie zum dritten Mal Finalist geworden. Seit 2015 geprägt, entwickelt und umgesetzt vom Nonkonformisten Patrick Fischer.

Selbstzufriedenheit und Arroganz, die oft mit Geld und Ruhm einhergehen und zu Rückschlägen führen, sind kein Problem: Mehr als eine Million verdient in unserer Liga keiner und die, die es in der NHL geschafft haben, sind dort einem so harten Konkurrenzkampf ausgesetzt, dass gar keine Überheblichkeit aufkommen kann.

Roman Josi, der beste Einzelspieler unserer Hockeygeschichte, ist auch mit einem Jahreseinkommen von knapp zehn Millionen Dollar bescheiden und freundlich geblieben wie 2010, als er zu seinem Nordamerika-Abenteuer aufgebrochen ist.

Es gibt keine Komfortzone. Nicht für die Spieler und nicht für die Macher. Unsere Hockeykultur wird auch geprägt durch viele Streitereien zwischen Verband und Liga, zwischen Sport und Kommerz, zwischen Klub-Egoismus und Gesamtinteresse. Weil wir auch im Hockey die Kunst des Kompromisses kennen (es wird ja auch nach jedem Spiel die Hand zur Versöhnung gereicht) sorgen all diese Auseinandersetzungen für die Unruhe, die es für eine Weiterentwicklung braucht.

Nach der dritten Finalniederlage ist unser Hockey erst recht auf der Mission WM-Titel. Trotz aller Bedenken mit guten Aussichten. Wer hätte denn nach dem verlorenen Final von 2018 gegen Schweden gedacht, dass wir fortan erfolgreicher sein würden als die Schweden? Seit 2018 hat Schweden nur noch einen Halbfinal gewonnen (2024), einmal den Viertelfinal verpasst und bloss eine Bronze-Medaille geholt (2024). Wir haben den Viertelfinal nie verpasst und nun Silber gewonnen.

Die National League hat einen neuen Publikumsrekord erreicht, unsere Klubs haben die beiden internationalen Turniere gewonnen: Davos den Spengler Cup, Servette die Champions League. Und nun in Prag WM-Silber. Die Schweiz ist in der Hockey-Welt ganz oben angekommen, um zu bleiben.

Ob wir eher Weltmeister sind als Gottéron oder Ambri Meister? Mit ziemlicher Sicherheit werden wir früher Weltmeister.

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veröffentlicht: 27. Mai 2024 06:27
aktualisiert: 27. Mai 2024 06:27
Quelle: watson

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